Internationaler Frauentag
In Schweden darf seit einem Jahr der erste an die weibliche Anatomie angepasste Dummy im Crashtest gegen die Wand fahren. Eine Vorreiterrolle, denn die EU bestimmt noch im Jahr 2023 die Nutzung einer männlichen Standard-Puppe. Dafür bestand die Frau an der Spitze der EU als deutsche Verteidigungsministerin darauf, dass auch Schwangere im Panzer Platz finden müssten.
08.03.2024
Heute, am Internationalen Frauentag, steht erneut die Frage im Fokus, wie sieht es aus mit der Umsetzung unserer Grundrechte „Niemand darf wegen seines Geschlechts, […] benachteiligt oder bevorzugt werden. […].“? Und, woher kommt eigentlich diese noch heute bestehende Ungleichheit? Die erste Frage überlasse ich anderen. Für die zweite wird ein Blick in die europäische Geschichte mit reichlich Anekdoten belohnt. Erhellend oder erschreckend? Satire? Leider nein. Unsere großen Denker zeigen uns in ihren Schriften die Geschlechterrollen ihrer Zeit – oder, wie sie sie prägten.
Ein Blick in die Historie
Starten wir mit Platon: Er ordnet das Wesen Frau nicht der Menschheit, sondern der Tierwelt zu. Aristoteles war nicht besser, die Frau sei ein verunglückter Mann, eine Art Mangelbildung und ihr fehle “das Prinzip der Seele”.
Kaiser Konstantin, der als Heide 315 die Schlacht unter dem Banner des Kreuzes gewann, ein Mann, der seinen Sohn, Neffen und Schwager tötete und seine 2. Frau ertränkte, berief das erste Konzil aller christlichen Gemeinden und war als Heide Gründer der Kirche. Augustinus, einer der einflussreichsten Kirchenväter erlaubte keiner Frau, sein Haus zu betreten. Seine Überzeugung, sexuelles Begehren sei von Natur aus böse, verankerte er als Tradition in der Kirche.
Das Zölibat setzte erst Papst Gregor VII durch, jedoch nicht die Keuschheit. Priesterehen wurden unter Zwang getrennt und die Ehefrauen als Sklavinnen verkauft. Übrigens: der Grund der Abspaltung der orthodoxen Kirche. Papst Calixt II. festigte in 1123 die Ehelosigkeit als stärkste geistliche Realität im Ersten Konzil der Westkirche.
Und das, obwohl es noch wenige Generationen davor Doppelklöster gab: Mönche und Nonnen lebten unter einem Dach. Zugegeben, sie glichen eher großen Hurenhäusern. Aber Nonnen konnten eigene Klöster eröffneten. Die berühmteste unter ihnen, Hildegard von Bingen (1098 -1179), lehrte den Gott der Liebe und als erste die Ebenbürtigkeit der Geschlechter: „Ohne die Frau könnte der Mann nicht Mann heißen; ohne Mann könnte die Frau nicht und keiner vermöchte es, hinfort ohne den anderen zu existieren.”
Aber schon im 13. Jahrhundert war die Frau wieder ein „Missgriff der Natur“. Töchter entstünden aus ungünstigen Umständen wie zum Beispiel Südwind, glaubte Thomas von Aquin „also schlecht ist das Weib von Natur“. Nonnen wurden hinter Klostermauern verbannt und es endete mit der Hexenverfolgung. „[…] wenn eine Frau keinen Mann bekommen kann, wird sie sich mit dem Teufel selbst zusammentun.”
Die kirchliche Einstellung zur Frau ist bis heute erstaunlich. Denn Maria Magdalena galt als die Gefährtin Jesus und als Gralsmutter. Sie wurde übrigens 1969 als Hüterin des Heiligen Grals, als Priesterin und Ehefrau Jesus von der Kirche heiliggesprochen. Der heilige Gral ist seit langem das Symbol des Ewig-Weiblichen, des Gebärens und des Schöpferischen.
Neuzeit
Springen wir einige Jahrhunderte in die Neuzeit. Der Philosoph Johan Ludwig Ewald sang 1804 das Hohelied auf die Hausfrau: „[…] ich schließe mit eine paar Bemerkungen über den Bau des weiblichen Körpers, die nicht undeutlich hinwirken auf den wahren Beruf des Weibes. Die Rippenknorpel des Weibes sind biegsamer, daher beweglicher, die Brust ausdehnbarer wie bei uns. Sie kann tiefer atmen, mehr Luft auf einmal einsaugen. Alles ist eingerichtet, um ohne großen Schaden in der Stubenluft zu leben.“
Der Naturphilosoph Jean-Jacques Rousseau, Vordenker der französischen Revolution war nicht viel besser: „Sie (die Frauen) müssen beizeiten an Zwang gewöhnt werden. Dieses Unglück, wenn es für sie eines ist, ist vom Geschlecht untrennbar, und sie befreien sich niemals davon, ohne noch grausameres Unglück zu erdulden. […] man muss sie gleich anfangs üben, sich Zwang anzutun, damit es sie niemals schwer ankommt, alle ihre Launen zu bezähmen.“ Die Aufgabe der Frau ist als “Planet Venus” die männliche Sonne zu umkreisen. “Diese „Ungleichheit ist […] nicht das Werk eines Vorurteils, sondern das der Vernunft.”
Bei dem großen Denker Immanuel Kant erschöpft sich die Rolle des Weibes in erotischer Attraktivität: „Sie ist schön und nimmt ein, und das ist genug!“
In Johann Gottlieb Fichtes Entwurf Über die Ehe, wird der sinnliche Genuss nur dem einen Geschlecht zugebilligt. „[…] Im unverdorbenen Weib äußert sich kein Geschlechtstrieb, sondern nur die Liebe. Und diese Liebe ist der Naturtrieb des Weibes, einen Mann zu befriedigen. Aber diese Befriedigung ist nicht die sinnliche Befriedigung des Weibes, sondern die des Mannes.“
Und Georg Wilhelm Friedrich Hegel setzte unumstößlich Barrieren gegen alle emanzipatorischen Anwandlungen der Weiberwelt: „[…] stehen Frauen an der Spitze der Regierung, so ist der Staat in Gefahr […]“.
Industrielle Revolution und ihre Folgen
Erst die Industrielle Revolution veränderte Lebensbedingungen für die Frau. Die neue mobile Freiheit setze Frauen in Bewegung, genannt die Emanzipation. Die erste Fahrlizenz ging 1909 an Amalie Hopper, so auch der erste Strafzettel zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung. In dem neuen Vergnügen, den Auto-Rennen, fuhren Frauen gegen ihre Ehemänner. Kurz zuvor, 1908, bekamen deutsche Frauen per Gesetz die Zulassung zum Studium und 1918 das Recht zur politischen Mitbestimmung: das Wahlrecht (in der Schweiz erst 1971).
Eine spannende Aufbruchstimmung in die Freiheit und Gleichwertigkeit. Und brach schon wenig später im Dritten Reich wieder vollständig ein. „Die weibliche Intelligenz ist anders gelagert, als die männliche. Die Phantasie steht vor dem abwägenden Verstand. Es eignen sich deshalb Frauen seltener für Arbeiten, die weitgehend technisches Verständnis oder Sinn für Arbeitsplanung erfordern. Der männliche Vorgesetzte ist daher bei organisatorisch oder technisch komplizierten Arbeiten im Allgemeinen vorzuziehen, wo hingegen die Frau als Gehilfin des Mannes zu höchstem Einsatz fähig ist…” (Norbert Westenried in Deutsche Frauen und Mädchen, 1933-1945)
Nachkriegszeit
Die Prägung blieb noch lange nach Kriegsende und wirkt noch heute in vielen Menschen nach. Denn das NS-geprägte Erziehungsbuch von 1934 Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind, von Johanna Harrer, blieb noch lange nach Kriegsende mit verändertem Titel die wichtigste Lektüre für junge Mütter. Aber auch die Frauenzeitschriften, wie Constanze – die heutige Brigitte – publizierte noch in den 50ger Jahren die Pflichten der Ehefrau, die in den 9 Geboten der Liebe zusammengefasst wurden (hier nur ein Auszug):
- “Bemühen Sie sich stets, für den Geliebten ohne Murren Opfer zu bringen […].”
- “Sie dürfen von dem Geliebten nie verlangen, dass er seine beruflichen und privaten Interessen Ihren Wünschen unterordnet […].”
- “Sie sollten […] alles tun, um dem Geliebten durch das Zusammensein mit Ihnen zur Krönung seines Lebens zu verhelfen.”
- “[…] Sie dürfen nie zu bequem sein, einen Wunsch Ihres Geliebten zu erfüllen, auch dann nicht, wenn Ihnen der Wunsch unnötig erscheint.”
Forschung von und über Frauen
Erst in den 60er Jahren fanden Frauen zunehmend ihre Sprache und verstärkten ihre Selbstbestimmung. Die evangelische Kirche öffnete sich erstmalig den Frauen und eine weibliche Forschungsära begann: Frauen forschten nach Frauen, in der Theologie, in der Philosophie, in der Geschichte – in allen Bereichen.
So auch Nancy Jay, USA, 1982, die sich nach einem Studium der Geschichte mit der Fokussierung der Stellung der Frau befasste. Sie brachte die männliche Haltung auf den Punkt, oder besser in eine mathematische Formel:
Die Frau existiert nicht.
Der Mann ist laut seiner eigenen Definition Mann, der neutrale Mensch und das Universum schlecht hin.
Die Frau existiert nicht.
Verständlich und deutlicher wird diese These mit einer mathematischen Formel:
Mann = A
Frau ≠ A
Die Frau ist nicht etwa B, sondern, die Frau ist nicht gleich A. Die Gleichung, die entsteht:
A steht einem nicht-gleich A gegenüber.
Das All-eine A ist also bedroht von dem großen Nichts.